Plakat: B. Ott
"Der verbotene Absurde" - Der Sonntag, 8. Jan. 2012
"Das wäre eigentlich Alles" - Rezenzion BZ 23. 1. 2012
"Menschliche Hinfälligkeiten" - Rezension im Kulturjoker Februar 2012
Da ging einmal ein Mensch ins Büro und traf unterwegs einen anderen Menschen, der soeben ein französisches Weißbrot gekauft hatte und sich auf dem Heimweg befand. Das ist eigentlich alles.
Daniil Charms
Die Komposition Amir Teymuris entstand in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik Freiburg, Institut für Neue Musik/ Studiengang Filmmusik, Leitung Prof. Cornelius Schwehr
Liegt es an der Krise, dass Milliardäre in Amerika herumlaufen wie Bettler? Ist es möglich, dass man übergroße Neugierde mit dem Leben bezahlen muss? Weshalb kriegen manche Frauen jeden Mann, obwohl sie so schön nun auch wieder nicht sind? Ist es besser über manche Menschen erst gar nicht zu sprechen, weil sie so unbedeutend sind? Warum können kluge Menschen dennoch keinen kühlen Kopf bewahren? Was tut in diesem Augenblick der Mann, der einfach so im Wald verschwand? Wie ist die Weigerung des Wundertäters zu verstehen, keine Wunder vollbringen zu wollen? Warum steht der unangemeldete Besuch immer dann vor der Tür, wenn man ihn gar nicht brauchen kann? Und wie bitte, wird man den Hammer los, der einen schon seit Tagen in der Kehle stört?
so eines der etwa 30 Pseudonyme Daniil Ivanovic Juvacevs, wurde 1905 in Petersburg geboren. Ihn, den Meister des Absurden, interessierte nur der „Quatsch“, „das Leben nur in seiner unsinnigen Erscheinung“. Seine Alltagsbeschreibungen wirken komisch und sind durchaus als Vorläufer von Mr. Bean oder Loriot zu verstehen. „Doch nicht seine Erzählungen sind absurd und alogisch“, schreibt sein Freund Jakov Druskin, „sondern das Leben, das er in ihnen beschreibt“. „Wir lachen“, so sein Übersetzer Peter Urban, „doch das Lachen bleibt einem im Halse stecken, führt man sich vor, unter welchen Umständen Daniil Charms gelebt hat: Bürgerkrieg, Hunger, Terror, Brutalisierung des Alltags, Schrecken des politischen Lebens und nicht zuletzt das Hausen in Zwangsgemeinschaften, den sogenannten Kommunalkas“. All diese Erfahrungen stecken in seinen Texten, und dennoch oder gerade deswegen bereiten sie uns großes Vergnügen. Es ist der kindliche Blick Daniil Charms` auf uns scheinbar Vertrautes, der dies möglich macht. In seinen Texten wird deutlich, dass die Realität, wie wir sie begreifen, nur eine Konstruktion ist, die durch geringste Verschiebungen oder Störungen einen neuen Sinn erfährt bzw. den ursprünglichen ad absurdum führt. Die Grenze zwischen Einbildung und Realität ist fließend, selbst der Gegenstände ist man sich nie sicher, auch diese führen ein Eigenleben. Daniil Charms starb, kurz nach Beginn der deutschen Blockade Leningrads, unter ungeklärten Umständen im Gefängnis Kresty, es heißt, er sei verhungert. Auf der Suche, dem Eigenleben der Dinge, Gegenstände, Situationen und der dazwischengeratene Menschen in Charms` Texten ein Übersetzung zu geben, haben wir das vierköpfige Schauspielensemble um die Tänzerin Dagny Borsdorf erweitert. Nun treffen fünf Darsteller, Text, Tanz (Choreographie: Gary Joplin) und Musik (Komposition: Amir Teymuri) in Bernhard Otts Bühnenbild in über 60 Rollen aufeinander.